Diese Seite drucken

Bedroht das Lauencenter die kleinen Händler?

Die Stadt sagt: Das Center nützt allen, weil es zusätzliche Kunden anzieht. Die meisten Bautzener sehen das anders.Die Zahl ist eindeutig: Vier von fünf Bautzenern fürchten, dass das Lauencenter auf Kosten des bestehenden Innenstadthandels geht. So kritisch wie dieser Punkt wird kein anderer Aspekt des geplanten Centers gesehen. Die repräsentative Umfrage, die die SZ bei der TU Dresden und der Dresdner SaxoPhon GmbH in Auftrag gab, lässt da keinen Zweifel zu.

So sehen die Zahlen aus: 84Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu „Das Center bringt Nachteile für kleine Innenstadthändler“. Nur 14Prozent sehen das anders. Bei den Älteren fällt die Skepsis besonders groß aus, bei den unter 30-Jährigen ist sie etwas geringer.

Wie sieht die Stadt die Auswirkungen auf die kleinen Händler?

Im Rathaus und bei der großen Mehrheit der Stadträte ist die Meinung eindeutig: Der Handel in der Innenstadt profitiere vom geplanten Lauencenter. Ein zweites Center locke mehr potenzielle Kunden aus Ostsachsen nach Bautzen, die bislang etwa im Dresdner Elbepark einkaufen. „Bautzen lebt von der Zentralität“, sagte OB Christian Schramm (CDU) bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Handel.

Das Lauencenter mache die Innenstadt zum Einkaufen attraktiver. Die Leute, die deshalb zum Bummeln in die Stadt kommen, würden auch vorhandene Angebote nutzen – hofft etwa FDP-Stadtrat Mike Hauschild. Zudem müsse man das Lauencenter zusammen mit dem Wohn- und Geschäftshaus am Kornmarkt betrachten, das 2014 öffnen soll: „Dadurch werden zum Beispiel die Goschwitz- und die Pchalekstraße besser angebunden“, sagt OB Schramm.

Was sagen die Fachleute zur Zukunft des Innenstadthandels?

Bei den Fachleute gehen Prognosen über die Auswirkungen des Centers deutlich auseinander. Das im städtischen Auftrag erstellte Gutachten des Beratungsunternehmens BBE ist eher zuversichtlich: So würden Lauencenter und Kornmarkt-Haus ein gemeinsames Umsatzpotenzial von 36Millionen Euro bringen, vor allem mit den Bereichen Mode und Technik. Dabei käme allerdings nur die Hälfte der Nachfrage aus neuen Quellen – also von Bautzenern, die vorher woanders eingekauft haben oder von neuen Kunden aus dem Umland.

Die andere Umsatzhälfte holen sich die Anbieter aus dem heutigen Bautzener Markt. Hier müssen der Prognose zufolge fast alle Standorte Federn lassen: Größte Verlierer sind die bisherigen Händler der Innenstadt mit 5,6Millionen Euro und das Marktkaufgebiet mit vier Millionen Euro Minus. Allerdings würden Kornmarkt-Haus und Lauencenter durch neue Kundenströme die Nachbarstraßen beleben.

Der Handelsverband Sachsen fürchtet durch die Baupläne einen „ruinösen Wettbewerb“. Schon heute ziehe Bautzen außerordentlich viel Kaufkraft aus der Umgebung ab. Das Lauencenter provoziere zudem Gegenstrategien der Nachbarstädte und führe damit zu einem massiven Angebotsausbau. Dieser bedrohe den mittelständischen Einzelhandel in der Region.

Der Dresdner Wissenschaftler Georg Hirte geht davon aus, dass das Lauencenter die Passantenströme massiv umlenkt: Weg von den klassischen Einkaufsstraßen hinein ins neue Center. Damit gehe ein Umsatzverlust bei den traditionellen Händlern einher. Auf der Reichenstraße drohten leere Schaufenster oder Billigläden.

Wie sehen die betroffenen Händler selbst das geplante Center?

Das kritische Ergebnis der SZ-Umfrage überrascht Sybille Mickan von der Modeboutique am Kornmarkt überhaupt nicht. „Wir haben von Anfang an gesagt, dass der heimische Handel unter den Plänen leidet.“ Schon jetzt gäbe es in Bautzen einen extremen Ladenleerstand. Zudem ziehen zunehmend junge Leute weg. „Auf immer weniger Einwohner kommt immer mehr Verkaufsfläche. Das wirft viele Fragen auf.“

Rainita Schafflik vom Modeladen an der Reichenstraße geht nicht davon aus, dass das Lauencenter neue Kunden in die Stadt bringt. „Wer einmal auf der Autobahn ist, fährt auch bis nach Dresden.“ Sollten tatsächlich mehr Leute nach Bautzen kommen, blieben die im Center. „Die laufen doch nicht bis auf die Reichenstraße.“

Wie denken die Bautzener über das Lauencenter? Am Sonnabend veröffentlichte die SZ die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage. In dieser Woche gehen wir den wichtigsten Streitpunkten nach. Lesen Sie am Sonnabend: Wie stehen die Chancen für einen Bürgerentscheid?

Quelle: Sächsische Zeitung vom 14.03.2013 - Autor: Christoph Scharf